Axinia Dzurova, Byzantinische Miniaturen. Schätze der Buchmalerei vom 4. bis zum 16. Jahrhundert, Vorwort von Peter Schreiner. Regensburg (Verlag Schnell & Steiner) 2002

296 Seiten, 247 Farb- und 239 SW-Abbildungen, Glossar, 30 x 23 cm, Leinen, 99,00 Euro

ISBN 3-7954-1470-9

 

Dieses opulente Buch führt chronologisch durch die Geschichte der byzantinischen und postbyzantinischen illuminierten Handschriften, von der frühchristlichen Schriftrolle bis zum Codex. Besonders berücksichtigt sind die slawischen Handschriften, aber auch solche aus Randgebieten der Orthodoxie.

 

Die Autorin ist Professorin für Kunstgeschichte an der Sofioter Universität und leitet das dortige Zentrum für byzantinische und slawische Forschungen „Ivan Dujčev“, das die bedeutendste Sammlung mittelalterlicher Handschriften in Bulgarien beherbergt. Axinia Dzurova ist eine international bekannte Expertin für griechische und slawische Kodikologie. Nach Hunderten von Publikationen ist dies ihr zehntes Buch über griechische und slawische Handschriften, das, ähnlich wie ihr kapitales Werk „Einführung in die slawische Kodikologie (bulg., Sofia 1997) gewiss ein Standardwerk darstellt.

 

Der Verlag Schnell & Steiner hat sich außerordentlich viel Mühe mit der anspruchsvollen Übersetzung gemacht. Der originalen italienischen Erstausgabe ist die deutsche vorzuziehen.

 

Obwohl sich ein großer Teil des Textes vorwiegend an den Byzantinisten beziehungsweise Kunsthistoriker richtet, ermöglicht der reich illustrierte Band auch dem diesbezüglich weniger vorbelasteten Leser den Zugang zu dieser faszinierenden Fachdisziplin. Den einzelnen Perioden, z.B. dem frühen Christentum, Ikonoklasmus, der mittelbyzantinischen Periode und der Zeit unter lateinischer Herrschaft, schließlich der postbyzantinischen Epoche bis ins 19. Jahrhundert hinein, ist ein historischer Abriss der Epoche vorangestellt, was in einer sehr speziellen Untersuchung wie dieser etwas verwundert, da man statt dessen mehr Informationen über Kodikologie erwarten würde, doch gerade diese Textpassagen sind brillant geschrieben. Schon im Vorwort des Kölner Byzantinisten Prof. Peter Schreiner liest man, dass der Text „dicht“ sei, eine Umschreibung für „schwierig zu lesen“, und in der Tat kann die Fülle des akribisch durchgearbeiteten Materials, die Menge an Informationen manch einen Leser ermatten. Das schwierige Thema wurde chronologisch untersucht. Einen differenzierten Ansatz findet der deutsche Leser im glänzend geschriebenen und sehr zu empfehlenden Buch von Christine Jakobi-Mirwald: Das mittelalterliche Buch. Funktion und Ausstattung, Stuttgart 2004. Dieser im Reclam Verlag erschienene, für 8,80 Euro äußerst preiswerte Band stellt in einzelnen Kapiteln anschaulich die Entwicklung der Buchmalerei in Hinblick auf seine verschiedenen Funktionen (verzierende, textillustrative, repräsentative), sowie nach Gattungen (z.B. Bibel, Prachtevangeliar, Chronik und darin Initiale, Miniatur etc.) dar.

 

Die Buchmalerei ist per se textbezogen. Dies gilt für die ostkirchliche Malerei allgemein. Bekanntlich haben die Ikonenmaler nie auf die Beschriftung verzichtet. Schrift und Bild haben beide eine ästhetische Dimension (Thomas Daiber). Daher sind insbesondere diejenigen der zahlreichen Abbildungen im Buch von A. Dzurova, die eine ganze Seite vor Augen führen, am besten geeignet, die Eigenart und Entwicklung der orthodoxen Buchmalerei und die Charakteristika der einzelnen Handschriften anschaulich aufzuzeigen, wobei bedacht werden muss, dass in einem Buch eigentlich stets zwei Seiten des Originals gleichzeitig betrachtet werden.

 

Anders als in den meisten Kunstbüchern heute war die Illustration, wenn man sie im gegenwärtigen Sinn versteht, nur ein Teilaspekt der mittelalterlichen Buchausstattung, „nicht einmal ihre wichtigste“ (Jakobi-Mirwald). Die Druckqualität der Farbabbildungen der wichtigsten Miniaturen, die heute – praktisch nur für eine Handvoll Benutzer zugänglich – in öffentlichen und privaten Sammlungen auf der ganzen Welt streng gehütet werden, ist unterschiedlich. Dies ist angesichts der schwierigen Beschaffung des Bildmaterials nachzusehen. Eine Qual ist allerdings das Auffinden der Bildlegenden zu den 247 (!) Farbabbildungen, zumal sie auch noch doppelt getrennt von den drei Tafelteilen eingebunden sind. Auch die Verweise im Haupttext auf die Farbabbildungen fehlen, die man sich am betreffenden Seitenrand gewünscht hätte. Somit fungieren diese Farbabbildungen leider nicht als „kontinuierend erzählende“ Illustrationen, was in den alten Codices eine Selbstverständlichkeit ist. Die deutsche Ausgabe hätte diesen Fehler der italienischen Ausgabe korrigieren sollen.

 

Was die Fundiertheit der Texte, den Umfang der Zeichnungen und Abbildungen betrifft, stellt dieser Band jedoch zweifellos eine beachtliche Leistung dar. Er gibt einen profunden Überblick zur Entwicklung und unterschiedlichen Qualität der ostkirchlichen Buchmalerei und ermöglicht manch einen Vergleich mit westlichen Handschriften. Sehr anschaulich wirken die zahlreichen, bestens platzierten Strichzeichnungen, etwa von zoomorphen Initialen in lateinischen und kyrillischen Codices.

 

Die Benutzung des Buches wird durch eine Reihe von Apparaten erleichtert: ein Glossar der Fachausdrücke (282–285), ein Abkürzungsverzeichnis, ausgewählte Bibliographie und ein Handschriftenindex, nach Aufbewahrungsorten geordnet (299–304). Der Zugang zu den Literaturquellen wird durch kurze Verweise im Text erleichtert.

 

Die selbst gestellte Aufgabe, nämlich eine Kunstgeschichte der überlieferten illuminierten Handschriften des Ostens darzustellen, dürfte dieses inhaltlich so reiche und typographisch gut gestaltete Buch auf lange Zeit erfüllen.

 

 Ivan Bentchev 2004